Forschungsprojekt

Betriebliche Interessenvertretung in einer "altindustriellen" Branche zwischen Nachkriegsboom, Strukturbruch und aufkommendem Finanzmarkt-Kapitalismus. Das Hüttenwerk in Bremen im Vergleich mit der Georgsmarienhütte und der Stahlstiftung Saarland

Mitte der 1970er Jahre geriet die Eisen- und Stahlindustrie in eine Krise, die einen tiefgreifenden und nachhaltigen Wandel der gesamten Branche einleitete. Anlagen wurden forciert modernisiert, andere stillgelegt, Produktionsprozesse wurden rationalisiert, Organisationsstrukturen verändert und Arbeitsplätze umgestaltet, Kapazitäten wurden abgebaut und ganze Produktionsstandorte aufgegeben, Unternehmen fusionierten oder wurden von anderen aufgekauft, manche verlagerten ihre Geschäftsbereiche, und traditionsreiche Unternehmen, die die Branche seit über 100 Jahre repräsentiert hatten, verschwanden völlig.
Betriebsräte und Gewerkschaft versuchten, unter diesen schwierigen Bedingungen Verschlechterungen der Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen, um die die Belegschaften fürchten mussten, abzuwehren und vor allen Dingen die Beschäftigung der Arbeiter und Angestellten zu sichern. In mühevollen Auseinandersetzungen und durch zum Teil heftige Kämpfe, die immer wieder ausgetragen werden mussten, konnte zwar erreicht werden, dass die Interessen der Belegschaften weitgehend gewahrt blieben, aber den enormen Abbau von Arbeitsplätzen und die Schließung ganzer Werke, ob in der Oberpfalz, im Saarland oder im Ruhrgebiet, konnten sie nicht verhindern.
Ausgerechnet Werke, von denen man angenommen hatte, dass sie dem globalen Wettbewerb auf die Dauer nicht standhalten könnten und deshalb über kurz oder lang stillgelegt werden müssten, wie die Georgsmarienhütte in Osnabrück, aber auch das Hüttenwerk in Bremen – beide im Übrigen ursprünglich Teil des Klöckner-Konzerns –, konnten trotz drohender Insolvenz erhalten werden, während andere Werke, denen zunächst größere Überlebenschancen eingeräumt wurden, nicht mehr bestehen. Aber selbst in den Fällen, in denen Werke bzw. große Werksteile geschlossen wurden, wie im Saarland, wo die Saarstahl AG ebenfalls in existenzbedrohende Schwierigkeiten geriet und schließlich Konkurs anmelden musste, konnten innovative Lösungen entwickelt und umgesetzt werden, die einer sozialverträglichen und regionalwirtschaftlich verantwortlichen Regelung des Personalabbaus den Weg ebneten.
Am Beispiel des Hüttenwerks in Bremen, das in wissenschaftlichen Studien zur Krise der Eisen- und Stahlindustrie regelmäßig ausgespart wird, sollen im historischen Längsschnitt die Bedingungen und Voraussetzungen untersucht werden, die dazu führten, dass über alle Probleme hinweg, namentlich die nachteilige Quotenregelung und die isolierte Position unter den deutschen Stahlproduzenten, das Werk weitergeführt und 1993/94 schließlich auch die existenzbedrohende Insolvenz abgewendet werden konnte. Dabei soll vergleichend sowohl auf die Entwicklung der niedersächsischen Georgsmarienhütte und ihre Rettung 1993 Bezug genommen werden als auch auf die besondere Form der Krisenregulierung im Saarland, wie sie in der Stahlstiftung zum Ausdruck kam, die im Zuge der Sanierung der Saarstahl AG 1987 gegründet wurde und beim Konkurs des Unternehmens 1993 für die Arbeitnehmer im Saarland von entscheidender sozialpolitischer Bedeutung war. Der Rolle, die die betrieblichen Interessenvertretungen in diesen Prozessen spielten, gilt dabei die besondere Aufmerksamkeit.
Die Studie stützt sich neben dem einschlägigen Schrifttum auf die Auswertung verschiedener, großenteils recht umfangreicher Archivbestände sowie auf Interviews mit Zeitzeugen.


Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
PD Dr. Karl Lauschke