Westfälische Rundschau, 15.04.2004,

300 000 Zwangsarbeiter schufteten unter Tage an der Ruhr

RAG gab Auftrag zur Forschungsarbeit: Spezialinventar beleuchtet dunkles Kapitel des Steinkohlebergbaus
300 000 Zwangsarbeiter schufteten unter Tage an der Ruhr

Bochum. Zu den unmenschlichen Machenschaften des Nazi-Regimes gehörte auch die Zwangsarbeit. Im Ruhrgebiet wurden zwischen 1939 und 1945 über 300 000 Ausländer zur Arbeit unter Tage gezwungen.

"Nur so waren die Fördermengen auch in Kriegszeiten aufrecht zu halten", erklärt Hans-Christoph Seidel vom Institut für soziale Bewegung an der Bochumer Ruhr-Universität, der das Projekt federführend begleitete. Zu den Zwangsarbeitern kommen nochmals rund 50 000 Fremdarbeiter, die mit - oftmals nicht eingehaltenen - Versprechungen nach Deutschland gelockt wurden. "Eine Gesamtzahl zu nennen ist schwierig, da einige vier Jahre hier arbeiten mussten, andere nur zwei Tage hier waren", so Seidel. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs soll sich die Belegschaft auf den Zechen fast zur Hälfte aus ausländischen Kumpeln zusammengesetzt haben.

Zustande gekommen ist die Forschungsarbeit auf Bitte der RAG, die die Durchführung zudem mit rund 1,2 Millionen Euro unterstützte. "Erstmals wird in einer solchen Aufarbeitung nicht ein Unternehmen behandelt, sondern ein ganzer Wirtschaftsbereich", so Seidel.

In mühsamer Kleinarbeit hat Holger Menne 15 Monate die Staats-, Wirtschafts- und Kommunal-Archive zwischen Rhein und Ruhr durchforstet und ist dabei auf 1500 Dokumente gestoßen, die sich mit der Zwangsarbeit beschäftigen: "Trotz der zum Teil erheblichen Verluste durch Zerstörung sind die Archive überaus aussagekräftig." Mit kurzen Beschreibungen des Inhalts sind sie in dem Buch zusammengefasst: Lohn- und Beschäftigungslisten informieren beispielsweise über Herkunft und Anzahl der Zwangsarbeiter auf der Castroper Zeche Victor, Zeichnungen geben Aufschluss über die Unterbringung von Fremdarbeitern auf der Dortmunder Zeche Minister Stein. Ein Schriftwechsel zwischen Gestapo und dem Arbeitsamt dokumentiert die Bestrafung eines polnischen Arbeiters in einer Waltroper Grube, der sich über Misshandlungen beschwert hatte und in ein Konzentrationslager eingewiesen wurde.

"Erstmals liegt mit diesem Spezialinventar ein zentrales Hilfsmittel vor, das sich sowohl an wissenschaftliche wie auch an Hobby-Historiker wendet", glaubt Dr. Michael Farrenkopf, Leiter des Montanhistorischen Zentrums beim Bergbau-Museum.

Das 224 Seiten starke Buch "Zwangsarbeit im Ruhrbergbau während des Zweiten Weltkriegs" ist für zwölf Euro über das Deutsche-Bergbau-Museum zu beziehen, oder auf der Internetseite (www.bergbaumuseum.de) kostenlos herunterzuladen.

Von Klaus Hübscher


zit. nach:
http://www.westfaelische-rundschau.de/wr/wr.archiv.frameset.php