Der Wille zur Umstellung. Strukturwandel, Wissenspolitik und die Anthropologie der Arbeit (1953-1979) (abgeschlossen)
Dass Wissen und Bildung Zukunftsressourcen sind, die den Übergang von der „Industriegesellschaft“ zu einer „Bildungs-“, „Informations-“ oder „Wissensgesellschaft“ gewährleisteten und gewährleisten sollen, ist heute eine meist ungeteilt angenommene – und insbesondere am Beispiel ehemaliger Industrieregionen häufig betonte – Wahrheit. Das Projekt beabsichtigt, dieses mit dem Begriff des „Strukturwandels“ unhintergehbar verschränkte Narrativ des Wandels von der „Industrie- zur Wissensgesellschaft“ zu historisieren, indem die Zentralbegriffe Bildung und Wissen auf ihren Verhandlungscharakter im Prozess des „Strukturwandels“ befragt werden sollen. Das Dissertationsvorhaben folgt der Annahme, dass mit den Strukturkrisen der Schwerindustrie und einer wachsenden Bedeutung der Dienstleistungswirtschaft in Westeuropa Bildung und Wissen als Transformationsressourcen begriffen, aber gleichzeitig anhand eines Junktims von Bildung, sozialer Ungleichheit und Zeithorizonten verhandelt wurden. Im Speziellen betrachtet das Projekt über die Aushandlungsplattform der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, wie sich diese Entwicklung konkret in der französischen Region Nord-Pas-de-Calais und im Ruhrgebiet zwischen 1960 und 1990 ausprägte. Als Sonde dient, entgegen der üblichen Konzentration auf exponierte höhere Bildungseinrichtungen, die berufliche Bildung bzw. die berufliche Fortbildung und Umschulung, die gewissermaßen als untere Grenze des Aushandlungsfeldes um zukunftsfähiges Wissen bzw. Bildung zu verstehen sind.Erkenntnisleitend sind dabei folgende Fragestellungen: Inwieweit wurde erstens Bildung über den „Strukturwandel“ eine Kategorie, um über Zukunftsfähigkeit zu sprechen, und wie artikulierten sich Vorstellungen von „Begabungs-“ bzw. „Bildungsreserven“? Inwieweit wurde Bildung als wirtschaftliche Ressource mit neuen inhaltlichen Charakteristika begriffen, die „Zukunftsfähigkeit“ gewährleisten sollte und welche Implikationen folgten daraus? Inwieweit setzten sich zweitens die Faktoren Bildung und Wissen als zeitlich gedachte Kategorien zur Selbstthematisierung und inszenierung von Akteuren durch? Inwiefern und wie wurde dadurch das Verhältnis von Wissen und Ökonomie verhandelt? Wie verschoben sich drittens die Kategorien Bildung und Wissen, um soziale Ungleichheit und ihre (Nicht )Veränderbarkeit zu thematisieren? Wie veränderte die Neubewertung von Wissen die Thematisierung sozialer Konflikte? Inwieweit führte das Junktim von Bildung, Ungleichheit und Zeithorizonten zu einer grundsätzlichen Reformulierung von sozialen Gegensätzen und Kategorien?
Das Promotionsvorhaben versucht über diese Perspektiven, einen Beitrag zu einer kulturhistorischen Erweiterung der Sozialgeschichte des „Strukturwandels“ zu leisten.